Im Rahmen unserer Interviewserie haben wir uns dieses Mal mit Benjamin Rauch, dem Inhaber und Geschäftsführer von Sellorado unterhalten. Er verrät unter anderem, welche Neuerungen die Sellorado-Nutzer dieses Jahr erwarten können und warum im Recommerce “groß” nicht immer “besser” bedeutet.
Benjamin, wie bist du zum Recommerce gekommen?
Schon in meiner Jugend habe ich mich, mit meinem damals besten Freund, viel auf Flohmärkten rumgetrieben und dort vor allem gebrauchte Computerteile gekauft, die wir dann gewinnbringend über eBay weiterverkauft haben. Dort hatte ich zwischenzeitlich auch einen eigenen, kleinen Elektronikshop. Gepeist aus dieser Berufserfahrung und der Tatsache, dass die Selbstständigkeit für mich schon immer das bevorzugte Erwerbsmodell war, habe ich mich 2012 dann entschlossen, eine eigene Recommerce-Plattform aufzubauen.
Wie hat sich das Geschäft seit der Gründung entwickelt?
Wir sind ein relativ kleines Unternehmen, wachsen aber rasant. Im Jahr 2013 haben wir knapp 40.000 Artikel angekauft, 2014 waren es schon fast 100.000. Die positive Entwicklung wird auch an unserer Lagerfläche gut greifbar. Gestartet sind wir in der sprichwörtlichen Garage. Anfang 2013 sind wir dann in ein neues Lager umgezogen, das wir zum Ende des Jahres bereits auf die doppelte Fläche erweitern mussten.
Welche Art von Artikeln kauft ihr an?
Wir sind mit den klassischem Medienkategorien, also Bücher, CDs, DVDs und Videogames, gestartet. Seit Ende 2013 kaufen wir auch Spielekonsolen an. Der Löwenanteil des Ankaufs entfällt aber auf Bücher.
Über welche Kanäle verkauft ihr euren Warenbestand?
Unsere primären Kanäle sind aktuell Amazon, eBay und Booklooker. Wir stehen aber bereits mit einem eigenen Online-Shop in den Startlöchern. Damit bieten wir dann auch denjenigen Interessenten einen Anlaufpunkt, die ungern über die “amerikanischen Giganten” kaufen. Mit diesem Shop werden wir dann selbstverständlich auch bei Bonavendi gelistet sein.
Welche weiteren Pläne hast Du für die Zukunft mit Sellorado?
Wir werden in diesem Jahr einen Relaunch unserer Website durchführen, bei der die Verbesserung der Usability im Fokus stehen wird. Wir haben über die Jahre sehr konstruktives Feedback unserer Kunden gesammelt und werden viele dieser Anregungen damit umsetzen.
In diesem Zuge werden wir auch unsere Internationalisierung vorantreiben. Wir kaufen jetzt bereits in Deutschland und Österreich an. Uns erreichen aber immer häufiger Anfragen aus Frankreich. Dort gibt es unseres Wissens noch keinen vergleichbaren Recommerce-Anbietermarkt. Und unsere geographische Nähe zu Frankreich legt es auch Nahe, unseren Service dorthin auszuweiten.
Was ist deine Prognose für den deutschen Recommerce-Markt in den nächsten Jahren?
Der Markt ist in den letzten Jahren zwar bereits enorm gewachsen, wird dies aber meiner Einschätzung nach auch in Zukunft noch weiter tun. Das Thema Gebrauchtes kaufen und verkaufen zum Festpreis ist beim Großteil der Bevölkerung immer noch nicht angekommen.
Auch wenn der Markt mit dutzenden Ankäufern sehr fragementiert ist sehe ich übrigens keine Anzeichen für eine Konsolidierung, weder durch Kooperationen oder Zusammenschlüsse. Ich glaube das liegt im wesentlichen daran, dass den kleineren Ankäufer viel daran gelegen ist, eigenständig zu bleiben, um ihre eigenen Ideen umsetzen zu können und selbst zu wachsen.
Du hast schon erwähnt dass sich viele Spieler im Markt tummeln. Wie differenziert sich Sellorado von den anderen Ankaufsportalen?
Wir sind ein vergleichsweise kleines Ankaufsportal und haben nicht die riesigen Marketingbudgets wie manch anderer Mitbewerber, der durch Venture Capital aufgepumpt wurde. Dafür sind wir häufig innovativer, speziell wenn es darum geht, sinnvolle Nischen zu entdecken und zu besetzen.
Uns haben zum Beispiel immer wieder Anfragen erreicht, ob wir auch ältere Bücher ohne ISBN ankaufen könnten. Wir haben uns daraufhin Gedanken gemacht und bieten nun auch eine Volltextsuche auf unserer Webseite an, über die man Preise für diese Bücher abrufen kann. Mir ist keiner der großen Anbieter bekannt, der etwas vergleichbares anbietet, vermutlich ist es ihnen einfach zu aufwändig.
Als kleiner Anbieter haben wir auch die Möglichkeit, mit den Kunden ganz anders umzugehen und auch kulanter zu sein als so mancher großer Player. Wir entscheiden die Fälle alle individuell und “im Zweifel für den Kunden”.